Eine Masterarbeit mit weinrotem Hardcover liegt auf einer Tischplatte. Darauf steht "Was meine Masterarbeit mir beigebracht hat (und was nicht)" in ockerfarbenen Großbuchstaben, wobei das Wort "Masterarbeit" in den Buchdeckel geprägt ist.

Ich habe meine Masterarbeit über Mehltau an Erdbeeren geschrieben und vor ziemlich genau zehn Jahren abgegeben. Das ist lange her, aber war eine einprägsame Zeit, in der ich viel gelernt habe. Was, das will ich jetzt mit dir teilen.

Was hab ich eigentlich gemacht? Kurz gesagt, ich habe beobachtet, wie sich der Mehltaubefall in einer bestimmten Erdbeerpopulation entwickelt, deren Großeltern eine sehr mehltauanfällige und eine sehr mehltauresistente Erdbeerart waren. In einem zweiten Versuch habe ich dieselben Großelternpflanzen miteinander gekreuzt, und zwar einmal Opapflanze mit Pollen von der Omapflanze bestäubt und umgekehrt, und deren Nachkommen ebenfalls untersucht. Das alles geschah in einem Erdbeerzüchtungsbetrieb, in dem auch viele andere Versuche durchgeführt wurden und werden.

Das spannendste Thema kann langweilig sein

Ich hab mein Masterarbeitsthema und das ganze Drumherum geliebt. Erdbeeren sind das beste Obst, die Leute im Betrieb waren super lieb, ich hatte viel Freiheit, hab lauter verschiedene Arbeiten machen können, nebenan gabs Mate-Limo zu kaufen, ich war jeden Tag draußen, wir haben Pizza aufs Feld bestellt und an heißen Tagen ein Regenfass zum Pool umfunktioniert, what’s not to love.

Aber. Ich hab meine 150 Versuchspflanzen über Wochen jeden Freitag bewertet und fotografiert. Das war so langweilig! Manchmal musste ich samstags noch mal hin, weil ich es nicht an einem Tag geschafft hab. An manchen Tagen saß ich heulend zwischen den Töpfen, weil ich mich nicht motivieren konnte, die nächste Pflanze anzuschauen. Heute weiß ich, dass ich AD(H)S hab, also ein Problem mit der Aufmerksamkeitssteuerung, und es mich darum so viel Energie gekostet, irgendwie weiterzumachen.

Egal, ob du neurotypisch bist oder nicht, jede Arbeit hat ihre schönen und öden Aspekte. Das hört auch nach dem Abschluss nicht auf (leider!). Durch die öden muss eins manchmal durch, auch wenns richtig scheiße ist. Mir hat geholfen, mir diese Aufgaben so angenehm wie möglich zu machen, mit Musik, Pausen, mehr Zeit und selbst gemachtem Erdbeerkuchen. Was wäre es bei dir? Erzähls mir in den Kommentaren.

Arbeiten macht Spaß, an der Masterarbeit schreiben nicht so

Parallel zu meinen Versuchen war ich ein paar Monate im Betrieb angestellt, habe gehackt, geerntet, Saatgut aufbereitet, bestäubt, pikiert, gepflanzt, gegossen und so weiter. Das war teilweise harte Arbeit, um 7 Uhr früh gings los, in der Hochsaison kam ich gelegentlich erst nach 22 Uhr nach Hause, aber es war auch lustig und ich mochte meine Kolleg*innen sehr.

Kein Wunder, dass mein Betreuer und Chef mich des Öfteren ermahnen musste, ich solle mich mal bitte hinsetzen und Papers lesen oder schon mal den Theorieteil zu schreiben anfangen. Auch das war eine eher ungeliebte Aufgabe, weil die meisten meiner Quellen auf Englisch waren. Das konnte ich damals nicht so gut und musste vieles nachschlagen und jede Unterbrechung war Eingangstür für diverse Ablenkungsmanöver. Am besten arbeitete ich tatsächlich im mit Erdbeermerch vollgestopften Büro, wo mir permanent jemand über die Schulter schauen konnte.

Apropos Erdbeermerch: Das Highlight einer Grillparty war das Fotoshooting mit dem firmeneigenen Erdbeerkostüm:

Eine weiße Person in einem Erdbeerkostüm springt in die Luft, im Hintergrund ist ein Erdbeerfeld

Ohne Back-ups geht es nicht!

Ich habe während meiner Masterarbeit meine Versuchspflanzen Hunderte Mal fotografiert, um den Symptomverlauf zu dokumentieren. Alle Fotos hatte ich nur auf meinem Computer gespeichert, Cloud-Space hatte ich keinen, weil teuer, eine externe Festplatte „wollte ich mal kaufen“. Es kam, wie es kommen musste, meine Festplatte ging kaputt. Ich konnte zwar alle Daten wiederherstellen, aber die Rettungsoftware löschte sämtliche Dateinamen und -ordner und benannte alle Fotos so: Foto1, Foto2 … Foto 13324234. Alle, also auch die privaten. Und das Aufnahmedatum war auch weg. Ich hab Wochen gebraucht, bis ich das alles neu sortiert hatte, so frustrierend.

Also, mach Backups! Von allem! Doppelt und dreifach! Und wenn du dir nur nach jedem Schreibtag die neuste Version deiner Arbeit selbst per Mail schickst. Man kann es wirklich nicht oft genug sagen. Und es kann nicht schaden, wenn gelegentlich das aktuelle Datum im Hintergrund zu sehen ist.

Masterarbeit zu Hause schreiben wird nichts

Nachdem die Versuche abgeschlossen waren, brauchte ich noch ein halbes Jahr, um meine Arbeit fertig zu schreiben. Das waren die mühsamsten sechs Monate meines Lebens. Zu Hause am Schreibtisch habe ich genau nichts zustande gebracht, zu Hause am Küchentisch schon etwas mehr, aber immer noch quälend langsam. Aber eigentlich war ich nur in der Bibliothek produktiv.

Anfangs hab ich dort ab und zu eine Einzelkabine ergattert, da konnte ich die Heizung auf 5 drehen und unbeobachtet von der gestrengen Bibliotheksaufseherin („Pssssst!“) heimlich Schokolade essen. Aber da saß halt niemand hinter mir und konnte sehen, dass ich schon wieder nur Plants vs. Zombies spielte. Und so kriegte ich dort nichts hin, heulte vor Frust (zum Glück ebenfalls unbeobachtet) und fuhr fortschrittslos nach Hause.

Masterarbeit mit Verbündeten schreiben = Success!

Was half: Verabredungen und Kontrolle von außen. Mit meiner Mitbewohnerin war ich öfter in der Bib der medizinischen Fakultät. Später begann dann eine Freundin ebenfalls ihre Abschlussarbeit, und ab da kam ich voran, weil wir uns jeden Tag zum Schreiben getroffen haben, manchmal auch am Wochenende im Büro ihrer Arbeitsstelle.

Was auch geholfen hat: Eine Best-of-Abba-Playlist auf YouTube, literweise Mate-Limo, Ohropax, Jammern

Was dir helfen könnte: Minimier beim Schreiben so viele Ablenkungen wie möglich. Du musst nicht jedes Wort, jede Kommaregel im Duden nachschlagen, wenn es dich aus dem Flow bringt. Schreib am besten erst mal in deiner Sprache, Hauptsache, der Inhalt passt. Rechtschreibung und wissenschaftlicher Stil kommen hinterher dran, zum Beispiel bei einem professionellen Lektorat. Zum Beispiel von mir. 🙂

Pro-Tipp: Führe beim Schreiben eine To-do-Liste für später. Wenn du etwa mitten in Kapitel 1 merkst, dass du ein bestimmtes Zitat brauchst, notierst du es auf der Liste und machst dann die Sache weiter, mit der du gerade beschäftigt bist. Am Ende des Tages oder der Woche arbeitest du dann diese To-do-Liste ab (das mache ich immer noch so, wenn ich Aufträge bearbeite).

Wenn man Autor*innen direkt anschreibt, schicken sie dir ihre Veröffentlichungen

Im Laufe meiner Recherche zum Erdbeermehltau stieß ich immer wieder auf einen auf Mehltaupilze spezialisierten Forscher, der gerade dem Erdbeermehltau einen neuen Namen verpasst hatte (für die Nerds: von Spaerotheca macularis zu Podosphaera aphanis).

Um das nachzuweisen und noch so einiges anderes, brauchte ich seine neuste Veröffentlichung, die gabs aber noch nirgendwo. Also hab ich ihm kurzerhand eine Mail geschrieben, immerhin arbeitete er an der Uni, an der ich auch eingeschrieben war, und ihn gefragt, ob ich vielleicht einen Ausschnitt der relevanten Seiten bekommen könnte.

Und er hat mir geantwortet, und zwar nicht nur mit den benötigten Seiten, nein, er hat mir seine gesamte Monographie als PDF geschickt, einfach so.

Also, wenn Originalquellen nicht für dich erreichbar sind, die Autor*innen aber schon, lohnt es sich, sie um Hilfe zu bitten. An dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank an Professor Braun!

Und was noch?

  • Wenn man alle paar Tage einen Eimer voller Erdbeeren im Zug transportiert, wundert sich irgendwann die Zugbegleiterin.
  • Erdbeeren kann man schälen (um nämlich die Samen zu ernten)
  • Es gibt unglaublich viele Erdbeersorten und -wildarten.
  • Meine Lieblingssorte ist ‚Asia‘ und ihre erste Frucht ist riesig.
  • Potentilla sieht aus wie eine Erdbeere, schmeckt aber nicht.
  • Mehltau sieht unterm Mikroskop sehr hübsch aus.
  • Zu langes Mikroskopieren macht seekrank.
  • Iss niemals eine Erdbeere, auf der eine Birkenwanze saß.

Was ich nicht gelernt habe: fehlerfrei schreiben

Ich habe für diesen Blog noch einmal in meine Masterarbeit geguckt und mich direkt geschämt. Meine Kommasetzung war nämlich eher … nennen wir es kreativ. Und meine korrekturlesenden Familienmitglieder und mein Betreuer haben das nicht gesehen, weil sie es vielleicht auch nicht besser wussten.

In diesem Abschnitt habe ich fünf Fehler gefunden:

  1. Leerzeichen bei z. B. fehlt
  2. eine Klammer ist kursiv, eine nicht
  3. zwei eingeklammerte Einschübe hintereinander sind kein schöner Stil
  4. das Komma vor „sowie“ muss weg
  5. kein Bindestrich bei Adjektiven mit „nicht“ (inzwischen erlaubts der Duden, 2014 war das noch anders)

Mach nicht den gleichen Fehler wie ich, sondern lass lieber jemanden über deine Masterarbeit lesen, di*er sich mit Kommas und dem ganzen Pipapo auskennt. Mich zum Beispiel, denn das tue ich inzwischen. Schließlich hab ich letztes Jahr den Zertifikatskurs „Wissenschaftslektorat“ des VFLL erfolgreich abgeschlossen.

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