*pling* macht dein Telefon, eine neue Mail ist da. Aber nicht der Newsletter, den du seit drei Jahren vergisst zu unsubscriben, sondern dein fertig lektorierter Text. Den Moment hast du mit Spannung erwartet. Du öffnest Word, freust dich auf einen fertigen wohlformulierten Text, hältst in Gedanken schon die gebundene Arbeit in den Händen – und siehst deine Worte vor lauter Kommentaren und Änderungen nicht mehr.
Uff.
Einatmen. Ausatmen.


Es sieht dramatischer aus, als es ist
Damit du nicht vor lauter Schreck vom Schreibtischstuhl kippst oder – Katastrophe! – überfordert auf „Alle Änderungen annehmen“ klickst, schreibe ich dir diesen Blog. Denn ja, wenn ich einen Text lektoriere, dann ändere ich manches direkt in der Datei. Teile lange Sätze in mehrere auf, verschiebe Wörter, setze Kommas und Absätze, formuliere manche Stellen um oder entferne Wiederholungen. Das gehört zum Lektorat dazu. Und da ich in Word im Änderungsmodus arbeite, zeigt dir Word auch jede kleine Änderung, jeden hinzugefügten Punkt, jedes verschobene Wort an.
Und ich schreibe Kommentare, Kommentare, Kommentare. Ohne Kommentare geht es einfach nicht und im Wissenschaftslektorat schon mal gar nicht. Denn da darf ich als Lektor*in am Inhalt nichts verändern, sonst überschreite ich die Grenze zum Ghostwriting. Wenn ich also deine Abschlussarbeit bearbeite und über eine Formulierung stolpere, bei der ich nicht ganz sicher bin, was gemeint ist, oder es mehrere Möglichkeiten gibt, werde ich immer einen Kommentar schreiben. Also ganz sicher nichts einfach ändern.
Wichtig!
Viele Änderungen und Kommentare bedeuten nicht, dass deine Arbeit schlecht ist, sondern dass ich gründlich gearbeitet habe. (Psst, ich neige ohnehin zur Pingeligkeit.) Übrigens kommentiere ich auch Stellen, die mir gut gefallen haben oder an denen dir etwas richtig gut gelungen ist. Noch ein Grund, sie alle aufmerksam zu lesen. 🙂
Nur Mut
Das können je nach Textlänge schon mal einige Hundert Kommentare werden: Bei fünf Kommentaren pro Seite fünf und einer Arbeit mit 60 Seiten (also Druckseiten, nicht Normseiten), kommen wir bei 300 Kommentaren raus.
Lass dich davon nicht entmutigen. Denn: Alle meine Änderungen und Kommentare sind Vorschläge. Du musst sie nicht annehmen, manches ist Geschmackssache und wenn dir meine Umformulierung nicht gefällt, dann verwirf die Änderung. Dein Text, deine Entscheidung.
Wenn du deine Bachelor- oder Masterarbeit lektorieren lassen möchtest, dann solltest du unbedingt die Zeit einplanen, die du brauchst, um alle meine Änderungen und Kommentare in Ruhe durchzugehen, anzunehmen oder abzulehnen. Deine Arbeit ist NICHT abgabefertig, wenn du sie von mir zurückbekommst. Sie ist übrigens auch nicht 100 Prozent fehlerfrei, das kann ich nicht garantieren, denn auch ich bin nur ein Mensch und übersehe mal was.
Lass dir von Word helfen
Zum Glück hast du in Word die Option, Änderungen ein- oder auszublenden. Dazu öffnest du im Reiter „Überprüfen“ unter „Mark-up“ das Drop-down-Menü und kannst dann auswählen, ob du alle Änderungen sehen möchtest oder nur bestimmte. Du kannst zum Beispiel die Änderungen des Formats ausblenden und dir später separat anschauen, damit der Text übersichtlicher wird. Im folgenden Video siehst du die Unterschiede zwischen den einzelnen Optionen.
Wenn du im vollständigen Markup die einzelnen Änderungen Satz für Satz durchgehst, rate ich dir, nach jedem Absatz einmal zum einfachen Markup zu wechseln und zu schauen, ob Leerzeichen fehlen. Das merkt man nämlich nicht, wenn alle Änderungen angezeigt werden. Nach doppelten Leerzeichen (die beim Überarbeiten ebenfalls leicht entstehen können), suchst du am besten ganz am Ende über die Suchen-Ersetzen-Funktion. Das mache ich am Ende eines Lektorats übrigens auch, es ist mein kleines Abschiedsritual von einem Text.
Wer ein Lektorat in Auftrag gibt, ist mutig!
Ich habe großen Respekt vor jeder Person, die einen selbst geschriebenen Text lektorieren lässt. Du hast so viel Zeit damit verbracht, so viel Arbeit und Mühe und Energie und vielleicht auch Tränen hineingesteckt. Ihn jetzt kritisieren zu lassen, ist sehr mutig und bringt dich in eine verletzliche Position. Darum verspreche ich dir, dass ich meine Kritik immer konstruktiv und freundlich formuliere.
Aber es bleibt Kritik und die anzunehmen, fällt vielen Leuten schwer, mir auch. Mach dir bitte bewusst, dass ich a) mit meinen Änderungen nicht dich persönlich angreife (in den meisten Fällen kennen wir uns auch nicht gut genug, als dass ich das könnte) und b) jede Änderung ein Vorschlag ist, den du nicht annehmen muss. Du darfst ihn ablehnen oder dich davon zu einer eigenen Neuformulierung anregen lassen.
Wenn du nicht verstehst, warum ich etwas geändert habe oder du einen Kommentar nicht nachvollziehen kannst – kein Problem! In der schriftlichen Kommunikation gehen Nuancen verloren, da sind Missverständnisse nicht ausgeschlossen. Frag mich ruhig, auch mehrmals. Per Mail oder in einem zweiten Videogespräch, in dem wir die fraglichen Stellen zusammen durchgehen.
Kannst du gut mit Kritik umgehen oder nimmst du sie schnell persönlich? Erzähl’s in den Kommentaren!
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[…] Und was mache ich in Fällen, bei denen der Duden keine Variante bevorzugt? Dann entscheidest du! Ich würde dich dann direkt fragen oder einen Kommentar setzen. […]
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